Training fürs Fixed Gear Crit: Rennen fahren und daraus lernen

8 August 2017
6 min read

Richtig trainieren heißt Belastung verstehen

Wenn unsere Kunden ein konkretes Rennen oder Event im Blick haben, dann ist der erste Schritt für uns immer die Analyse der gegebenen Anforderungen. Wir erarbeiten dafür ein spezifisches Belastungsprofil und stellen damit die wichtigsten Kernfähigkeiten der Sportart bzw. des Wettkampfs heraus. Erst dann wissen wir was der Kunde braucht, um dort erfolgreich zu sein und was dementsprechend trainiert werden müsste. Hier eine solche Analyse am Beispiel des 8bar Fixed Gear Crit.

 

8bar Fixed Gear Crit-Overview
Abbildung 1: Streckenverlauf und Datenanalyse des 8bar FixedGear Crit

 

Analyse eines Fallbeispiels vom 8bar Fixed Gear Crit

Am vergangenen Wochenende fand das 8bar Crit in Berlin statt. Das ist ein Radrennen speziell für Bahnräder, d.h. keine Schaltung, kein Freilauf und nur ein starrer Gang. Der Kurs in diesem Jahr bestand aus einer 1 km-langen Runde, die es 30 mal zurückzulegen galt. Bestückt mit mehreren engen Kurven und gleichzeitig aber auch langen Geraden versprach das Rennen sehr vielseitig zu werden und den Teilnehmern alles abzuverlangen.

In diesem Fallbeispiel wurde das Rennen 14/30 Runden durchgefahren bis es zur Überrundung kam. Das entsprach 14,4 km mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 37 km/h und einer Wattleistung von 280 Watt (Normalized Power). Warum es zur Überrundung kam und welche entscheidenden Fähigkeiten offenbar nicht ausreichten um vorne mitzufahren, stellen wir nun in einer detaillierten Analyse dar.

 

8bar Fixed Gear Crit-Peaks
Abbildung 2: Verlauf der Leistung und Darstellung der Spitzenbelastungen für 5 sek, 30 sek, 2 min und 5 min

 

Der Start ist immer am schwersten

Vor dem Finale gab es ein Qualifying, mit dem jeder Fahrer seinen Startplatz ermittelte. Im späteren Finale gilt natürlich; je weiter vorne man startet, desto besser. Denn während die Fahrer an der Spitze von Beginn an „freie Fahrt“ haben und das Tempo sofort hochziehen, muss man sich weiter hinten im Feld zusätzlich mit den Konkurrenten auseinandersetzen. In diesem Fallbeispiel fand der Start aus dem Mittelfeld heraus statt.

Analysiert man nun die Daten genauer fällt auf, dass gleich zu Beginn des Rennens alle Maximalwerte (5 Sekunden, 30 Sekunden, 2 Minuten und 5 Minuten) aufgebracht wurden (Abbildung 2). Dies lag zum einen natürlich an der noch vorhandenen Frische zu Beginn des Rennens aber auch an der Tatsache, dass hier ein enormer Aufwand betrieben werden musste um im Feld nach vorne zu fahren. Auf den Geraden mussten immer wieder andere Fahrer überholt und kleine entstehenden Lücken zugefahren werden. Die Spitzengeschwindigkeiten wurden respektive auch bereits in den ersten beiden Runden erreicht.

Diese hochintensive Belastung gleich zu Beginn forderte schnell ihren Tribut. In Runde 5 konnte die Leistung nicht mehr aufrecht erhalten werden und die nächste Lücke nicht mehr zugefahren werden. Der Moment der Erkenntnis, dass man an diesem Tag leider nicht mehr am Rennausgang beteiligt sein würde.

 

Erste Ableitung: So weit wie möglich vorne starten 😉

Wenn das nicht geht muss man in der Lage sein einige Minuten alles zu geben und im „roten Bereich“ zu fahren. In diesem Fallbeispiel wurde es nach 5 Minuten (dieser Zeitpunkt ist für jeden individuell unterschiedlich) unmöglich, die Leistung aufrecht zu erhalten. Das bedeutet, dass bis dahin der Kontakt zur Führungsgruppe hergestellt sein muss. Fürs Training bedeutet das; 3-5 min am Anschlag fahren, diese Belastung tolerieren und erst wenn nichts mehr geht in die Erholungsphase wechseln.

 

8bar Fixed Gear Crit-Lap
Abbildung 3: Verlauf der Belastung innerhalb einer Runde

 

Ein ständiges Auf- und Ab

Doch was genau bewirkte den Einbruch in der fünften Runde? Und wie setzte sich die „Belastung“ eigentlich zusammen? Dazu muss man sich eine einzelne Runde im Detail ansehen (Abbildung 3). Jede Runde zeigte das gleiche Belastungs-„Muster“ und ließ sich mehr oder weniger in zwei Phasen teilen.

Phase 1

In der ersten Phase (60 sek) wurde der kurvenreiche Teil des Kurses durchfahren. Die Geschwindigkeit war hierbei nahezu konstant (im Mittel leicht abfallend), die Leistung schwankte jedoch mit 6 Wellen um einen Durchschnitt von 180 W.

Im Mittel ist dieser Leistungsaufwand von 180 W verhältnismäßig gering. In unserem vergangenen Blogbeitrag konnten wir aber bereits eindrucksvoll darstellen, dass es einen großen Unterschied macht, wie sich diese Leistung zusammensetzt. 50 sek gleichförmig 180 W zu fahren stellt vielleicht eine geringe Belastung dar, ganz anders wirkt sich aber eine intermittierende Belastung aus. Im Rennen wurde nach jeder Kurve für ein paar Kurbelumdrehungen Kraft aufgebracht. Dies resultierte in sich wiederholenden, kurzen Belastungsspitzen von 400-500 W, gefolgt von passiven Phasen ohne Kraftaufwand (0 W). Diese wellenförmige Leistungsentwicklung in Phase 1 stellte bereits eine sehr hohe Belastung dar, was man auch an der Herzfrequenz ablesen konnte. Die Herzfrequenz stieg bereits mit der ersten Runde, wenige Sekunden nach dem Start auf 165 bpm an (im Vergleich dazu läge eine zu erwartende Herzfrequenz bei konstanten 180 W bei ca. 130 bpm).

Phase 2

In der nun folgenden zweiten Phase (30 sek) ging es auf die Geraden. Aus beiden Haarnadelkurven heraus wurde zwei Mal maximal beschleunigt. Dabei wurden Geschwindigkeiten von über 50 km/h und Leistungsspitzen von über 1100 Watt erreicht. Auch wenn die Belastungsphase hier jeweils immer nur 5-10 sek dauerte, so stellte der maximale Kraftaufwand ausgangs jeder Kurve doch eine enorme Belastung für die Muskulatur dar. In dieser Situation musste jede verfügbare Muskelzelle angesprochen und in kürzester Zeit maximal viel Energie freigesetzt werden. Es blieb danach nur eine kurze, ca. 10-sekündige Phase der „Erholung“ bevor es erneut in Phase 1 der nächsten Runde ging.

 

8bar Fixed Gear Crit-Zonenverteilung
Abbildung 4: Verteilung der Belastung in Power Zonen

 

Zweite Ableitung: Rennspezifische Intensitäten!

Nicht immer gleichförmig trainieren, sondern mit wiederholten, intermittierenden Belastungen! Der Wechsel von harten, hochintensiven Abschnitten mit passiven Erholungsphasen stellt sich in den meisten Rennen dar (siehe Zonenverteilung in Abbildung xx) und sollte auch ins Training integriert werden.

Wir bei Diagnose Berlin entwickeln mit unseren Kunden in der Trainingsbetreuung zunächst isoliert die einzelnen Fähigkeiten. So ergeben sich z.B. Trainingseinheiten mit einzelnen Maximalantritten oder 30-60-sekündigen, harten Intervallen, gefolgt von ausreichenden Pausen. Sobald der Organismus sich an diese Belastungen gewöhnt hat, kombinieren wir verschiedene Inhalte zu komplexen, rennspezifischen Trainingseinheiten (siehe z.B. Abbildung 5).

 

8bar-Fixed-Gear-Crit-Training
Abbildung 5: Beispiel für rennspezifische Trainingseinheit

 

Technik und Taktik können den Unterschied machen

Wo die einzelnen trainingsrelevanten Zahlen und Leistungsdefizite liegen finden wir stets mit einer vorgeschalteten, spezifischen Diagnostik heraus. Es gibt jedoch eine Komponente die man nie außer Acht lassen darf und mit Sicherheit ein sehr großes Entwicklungspotenzial birgt: Technik und Taktik im Rennen.

 

8bar Fixed Gear Crit-Lap-comparison
Abbildung 6: Verlauf der Leistung (pink) und Geschwindigkeit (grün) von Runde zu Runde

 

Betrachtet man den Verlauf von Runde zu Runde (siehe Abbildung 6), so fällt auf, dass sich die durchschnittliche Leistung (pink) und Geschwindigkeit (grün) sehr unterschiedlich verhielten. Während die durchschnittliche Geschwindigkeit nur um wenige km/h schwankte, wies die erbrachte Leistung doch erhebliche Unterschiede auf. Dies ist vermutlich auf eine verbesserte Position im Feld (geringerer Leistungsaufwand durch Windschatten), sowie eine bessere Technik beim Durchfahren der Kurven (geringerer Verlust von Geschwindigkeit) zurückzuführen. Ein direkter Vergleich z.B. von Runde 5 und Runde 8 verdeutlicht dies. Beide Runden wurden mit 38,2 und 38,4 km/h annähernd gleich schnell gefahren. In Runde 5 wurde diese Geschwindigkeit jedoch mit 225 W erreicht, in Runde 8 dagegen mit 269 W.

 

Ableitung 3: Technik nicht vergessen!

Auch wenn die physischen Fähigkeiten etwas schwächer oder stärker ausgebildet sind, so kann man mit der idealen Technik und Renntaktik enorm viel erreichen. Rennspezifischen Fertigkeiten (wie z.B. dem Durchfahren von engen Kurven mit hohen Geschwindigkeiten) sollte mindestens genau so viel Aufmerksamkeit im Training geschenkt werden wie reinen Ausdauerelementen. Und das nicht nur fürs Fixed Gear Crit.

 

Wenn ihr auch eine detaillierte Analyse eures spezifischen Wettkampfs oder Event wollt, sprecht uns einfach an. Wir betreuen Sportler aus den verschiedensten Sportarten und haben die Technik sowie das Know-How um Belastungsprofile zu erstellen und euer Training zielgerichtet zu optimieren.

 

Hier der Link zur kompletten Datenanalyse bei TrainingPeaks: http://tpks.ws/LLrG6

Du willst professionelle Hilfe um dich noch perfekter auf dein nächstes Rennen vorzubereiten. Wir helfen dir gerne mit unseren verschiedenen Angeboten zur Trainingsbetreuung.